Mission To Planet G - Joe Satriani-

von Hansi Tietgen

Joe Satriani gehört zu den wenigen Gitarristen der ehemals so erfolgreichen Shredder Generation, deren Spielkunst den Weg ins 21. Jahrhundert gefunden hat. Auch das neuste Werk des Ausnahmegitarristen, das Album Strange Beautiful Music überzeugt wieder mit einer kurzweiligen Mischung aus hervorragendem Songwriting und atemberaubender Gitarrenakrobatik. Am 15. Juli 2002, Joes sechsundvierzigsten Geburtstag, hatten wir das Vergnügen den sympathischen Fingerakrobaten zu treffen, und mit seiner tatkräftigen Unterstützung einen intensiven Blick hinter die Kulissen seiner perfekten Handwerkskunst werfen zu können.

Joe Satriani ?Planet Guitar: Joe, spätestens nach einem Blick auf deine umfangreiche Diskographie weiß man, dass du ein überaus reger und kreativer Songwriter bist. Woher bekommst du eigentlich deine Inspirationen?

!Joe Satriani: Das ganze wurzelt in meiner Vergangenheit. Ich begann schon ziemlich früh, mich für Musik zu interessieren. Als jüngster Spross einer großen Familie, hatte ich das Glück von klein auf mit den musikalischen Vorlieben meiner älteren Geschwister konfrontiert zu werden. Und da sich das ganze in den wilden 60ies abspielte, gehörten Bands wie die Beatles und die Stones genauso zum Angebot, wie die eher abgedrehten Statements eines Jimi Hendrix. Meine ersten praktischen musikalischen Erfahrungen machte ich allerdings nicht mit der Gitarre sondern mit dem Schlagzeug. Als Jimi Hendrix 1970 starb, war das für mich wie eine Art Initialzündung. Da mich seine Musik von jeher sehr faszinierte, entschloss ich mich, das Schlagzeugspiel an den Nagel zu hängen und mich fortan der Gitarre zu widmen. Neben meiner Vorliebe für Jimis Musik beeinflussten mich zu dieser Zeit auch Gitarristen wie Jimmy Page, Jeff Beck und Eric Clapton. Überhaupt kann man sagen, dass mein musikalisches Interesse zu jeder Zeit sehr breit gefächert war. Und dabei ging es mir nicht nur um das Erlernen irgendwelcher Spieltechniken. Bereits nach wenigen Wochen als Gitarrist - und glaub mir, ich spielte so schlecht wie jeder andere Anfänger auch - fing ich damit an eigene Songs zu schrieben. Später in der Highschool intensivierte ich mein Studium indem ich Theorie-Kurse belegte. Hier erfuhr ich eine Menge über den theoretischen Background des Songwritings und studierte diverse Kompositionstechniken. Die Stilistiken, mit denen ich mich zu dieser Zeit auseinandersetzen musste, hatten zwar rein gar nichts mit der Musik zu tun, die ich damals mit meiner Band praktizierte- wir coverten Songs von Black Sabbath und den Doors - trotzdem erfuhr ich in den Kursen eine Menge über die Dinge, die mir später dabei helfen sollten meinen eigenen Songwriting-Stil zu entwickeln.

?PG: Womit wir beim Thema wären. Du bist tatsächlich einer der wenigen Gitarristen, denen man mit ruhigem Gewissen einen vollkommen eigenen Stil zuschreiben kann. Kannst du eigentlich den Zeitpunkt in deiner Karriere bestimmen, an dem diese Entwicklung ihren Anfang nahm?

!JS: Es gab eine ziemlich wichtige Phase in meiner Entwicklung. Da ich hauptsächlich ohne Anleitung geübt hatte, verfügte ich damals über eine eher eigenwillige Spieltechnik. Auch meine Übephilosophie war eher pragmatisch. Ein Beispiel: Mich störten die extremen Geräusche die - gerade im HiGain Betrieb- beim Anschlagen der Saiten mit dem Plektrum entstehen. Meine Konsequenz: Ich versuchte, so wenig wie eben möglich anzuschlagen (lacht). Auf einer Session mit älteren Musikern sprach mich der Drummer an und erzählte mir von der neuen Scheibe des Tony Williams Projekts Lifetime, auf der ein Gitarrist mitspielte der genau die Spieltechnik, die ich damals nur im Ansatz beherrschte, in Perfektion betrieb. Das Album hieß Believe it und der Gitarrist war Allan Holdsworth. I was really floored! Der Mann hatte es wirklich drauf. Er spielte schnell und fließend, ohne "lästige" Picking Geräusche und trotz aller Perfektion hatte das Ganze die gleiche raue Ehrlichkeit, die ich an Hendrix so liebte. Durch einen Zufall hatte ich einen Musiker entdeckt, der in der Lage war, perfekt fließende Linien im Stil eines Jazz-Saxophonisten wie John Coltrane, mit dem erdig, rockigen Approach eines Hendrix zu kombinieren und beides so in einem völlig eigenständigen Spielkonzept aufgehen zu lassen. Wow! Die Tatsache, dass ich von diesem Zeitpunkt an wusste, dass es einen Musiker gab, der allem Anschein nach ähnlich dachte wie ich und dabei auch noch sehr erfolgreich war, gab mir damals unglaublichen Auftrieb und Sicherheit und motivierte mich, noch intensiver an meinem eigenen Stil zu feilen. Ich denke, das war der Anfang - und ehrlich gesagt, ist es mir damals gar nicht so richtig bewusst gewesen.

?PG: Joe, du bist ein echter Skalenkenner unterm Herrn. Viele deiner Songs schöpfen ihre spezielle Atmosphäre aus dem Einsatz ziemlich abgefahren klingender Tonleiter-Typen. Als ausgewiesener Fan der sogenannten Kirchentonleitern oder Modes, kommen in deinen Improvisation Skalenvarianten zu Ehren die so kompliziert klingende Namen wie z.B. Aeolisch, Lydisch oder Phrygisch tragen. Kannst du dir eine Übung vorstellen, die einem mehr oder weniger unbedarften Rock-Gitarristen, den Sound und die Wirkung der unterschiedlichen Modi näher bringen kann, ohne dabei allzu vergeistigt zur Sache zu gehen?!

!JS: Ja, ich denke schon. Damit ich die Wirkung unterschiedlicher Skalen optimal studieren konnte, fertigte ich mir mit meinem Tape-Deck einfache Jam Tracks an. Diese boten mit die Gelegenheit die Sounds der diversen Leitern antesten zu können, wann immer ich wollte. Um dabei zu vermeiden, dass ich mich durch die Wahl der jeweils verwendeten Akkorde, bereits im Vorfeld auf eine spezielle Tonleiter festlegte, setzte ich nur solche Chords ein, die absolut neutral klangen. Mein Favorit in dieser Hinsicht war ein E Powerchord, der Dank der mitschwingenden Leer-Saiten klanglich schon eine Menge hermachte. Der Akkord besteht lediglich aus zwei Tönen (E und B), ist also ein absoluter Minimalist. Die folgende Studie zeigt, wie es geht. Sie kombiniert den eben vorgestellten E5 Akkord, mit dem Sound der ganz gewöhnlichen E-Dur Tonleiter (E Ionisch) und klingt richtig schön harmonisch. Aber das muss nicht so sein. Der Akkord bildet die ideale Plattform, um auch abgefahrener klingende Skalen optimal zu begleiten (zusätzliches Übungsmaterial findest du in unserem großen Joe Satriani Workshop Special).

Mode Tool hören

?PG: Lass uns über dein neues Album Strange, Beautiful Music sprechen. Wie lange hast du an den Songs gearbeitet?

!JS: Ungefähr vier Monate. Im September ging es los und Ende Dezember war bereits alles im Kasten. Ich habe diesmal hauptsächlich in meinem eigenen, kleinen Studio zuhause gearbeitet und parallel zum Songwriting direkt alle Gitarrenparts eingespielt. Da ich ein begeisterter ProTools Jünger bin, brauchte ich mich während des Aufnehmens nicht um die Song-Arrangements zu kümmern. Dank des monitorgestützten Arbeitens konnte ich die fertigen Parts nach getaner Arbeit problemlos verschieben und hatte so die Möglichkeit, die Wirkung unterschiedlicher Abfolgen und Instrumentierungen anzutesten. Diese Herangehensweise erwies sich als überaus kreativ und spontan und ich möchte die Möglichkeiten des Digital-Recordings wirklich nicht mehr missen.

?PG: Welche Amps kamen zum Einsatz?

!JS: Oh, eine ganze Armada. Neben einem Mesa Dual Rectifier, verwendete ich einen Peavey 5150 und mein Marshall 6100 Anniversary Head. Um die Amp-Sounds optimal aufs "Band" zu kriegen, kam ein Palmer Speaker Simulator zum Einsatz. Wenn ich mit dem Mikrofon gearbeitet habe, veredelte ich das Signal mit einem Millennia Media Mike Preamp.

?PG: Was ist mit den anderen Instrumenten? In welchem Stadium der Produktion kamen Jeff (Campitelli/Drums) und Matt (Bissonette/Bassist) ins Spiel und in welcher Form hast du ihnen das fertige Material vorgestellt?

!JS: Während des Songwritings habe ich auch alle Bass und Schlagzeug-Parts selbst eingespielt. Das Ganze mischte ich grob ab und brannte die so entstandenen Demo-Versionen der Songs auf CD. Mit den fertigen Silberlingen ging ich zu Jeff und Matt und sagte ihnen: "Okay, so ungefähr stelle ich mir eure Parts vor. Macht was daraus!" Weißt du, ich denke es wäre absolut falsch, so exzellenten Musikern wie den beiden bis ins Detail vorzuschreiben, was sie zu spielen haben. Sie wissen selber, was zu tun ist. Das kannst du mir glauben.

?PG: Beobachtest du die Entwicklung in der Musik Szene und gibt es aktuelle Bands, deren Musik du schätzt?

!JS: Ich bin sehr interessiert. In letzter Zeit höre ich mir beinahe täglich das neue Tool-Album an. Ihre Musik ist die perfekte Mischung aus eigenem Stil, coolem Sound und hervorragendem Handwerk. Das gleiche gilt auch für System Of A Down. Sie bringen die Sache auf den Punkt, ohne sich anbiedern zu wollen. Auch das aktuelle Korn Album spricht mich sehr an. Besonders der Sound der Scheibe ist absolut genial. Es ist eine der ersten CDs, die mit einer Sampling Rate von 96KHz aufgenommen wurde und das bringt es wirklich. Trotz des brachialen Sounds ihrer Musik, sind alle Instrumente sehr gut ortbar und die Transparenz ist ein Hammer. Das Lustige an dem Album ist, dass es trotz der Heavyness der Riffs und dem drückenden Sound, eigentlich gar nicht rau und hart rüberkommt. Durch die hervorragende Qualität klingt die Scheibe eher clean und "süß". Einen ähnlichen Eindruck hatte ich damals beim schwarzen Metallica Album. Auch hier war die Produktion so perfekt, dass man beim Hören die Härte der Riffs vergaß.

?PG: Okay Joe. Vielen Dank für das interessante Interview und viel Spaß bei deinem Gig heute Abend!

TIPP: Weitere Infos zum Thema Modes und Tonleitern findest du in meinem Buch Scales 'n'more. Informier' dich!

 

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