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Ein PG Interview von Oliver Poschmann Ryan Martinie stammt aus einer musikalischen Familie. Sein Vater spielte Gitarre und Klavier, sein Großvater war Chorleiter. Die ersten musikalischen Erfahrungen sammelte Ryan schon in jungen Jahren mit Hymnen und Chorälen. Später kam dann klassische Musik dazu und er lernte Trompete, Posaune und Horn zu spielen. Da viele Bassisten ja bekanntlich von Bläserlinien beeinflußt werden, verbucht auch Ryan diese Zeit im Nachhinein als grossen Vorteil für seine Entwicklung als Bassist. !RM: Mein Vater hörte oft Big-Band Musik und auch ich liebte sie. Überhaupt ist mein musikalischer Geschmack sehr weit gefächert. Ich liebe die Musik von Björk, Emperor oder den Dixie-Chicks,... jede gute Form von Entertainment kann mich begeistern, solange es sich dabei um den wirklichen und ehrlichen Ausdruck eines Menschen und dessen Kunst handelt. Später fing Ryan dann an, Gitarre zu spielen. Sein Vater machte ihn mit der Musik von Jim Croce, Buddy Holly und den Beatles bekannt . Mit 12 verliebte er sich schließlich in den Sound von Bässen und begann damit, die Bass-Lines kompletter Platten herauszuhören. !RM: Die ersten drei Alben, die ich transkribiert habe, waren Caught Somewhere In Time (Iron Maiden), Kill Em All (Metallica) und Hemispheres von Rush. Geddy Lee ist ein bewundernswerter Bassist und Komponist, mal ganz abgesehen von seiner phantastischen Keyboardarbeit und natürlich seinem Gesang. Die Musik von Rush brachte mich dazu, ein anderes musikalisches Level zu betreten. Iron Maiden hörte ich, um meine Geschwindigkeit zu steigern und die Arbeit der rechten Hand zu verbessern. Metallica interessierten mich wegen ihres Songwritings. Im Endeffekt haben mich alle drei Alben sehr stark beeinflußt und musikalisch einen gehörigen Schritt weitergebracht. Aber auch so unterschiedliche Dick-Saiter wie Steve de Georgio von Death, John Pattitucci, Muzz Skillings (Living Color), Stu Hamm (Steve Vai) oder Stuart Sender (Jamiroquai) prägten meinen Spielstil. Zu Beginn seiner Karriere spielte Ryan in den verschiedensten Bands. Die stilistische Bandbreite reichte hierbei von Top-Fourty Jobs bis zur Dinner Musik. Ryan meisterte hierbei die Musik von Nat King Cole genauso wie Van Morrison Songs. Die Jungs von Mudvayne wurden auf ihn aufmerksam, als sie ihn durch Zufall live mit einer Instrumental-Metal Band erleben durften. !RM: Sie sprachen mich an und sagten mir, wann immer sie mal einen Bassisten bräuchten, sie würden mich finden. Und sie sollten ihr Wort halten, denn zwei Jahre später bekam ich einen Anruf und am gleichen Abend saß die Band schon bei mir auf dem Sofa. Da ich ihre Musik sehr interessant fand, musste ich gar nicht lange überlegen und stieg ein - das war vor ca 2 1/2 Jahren. Ich zog in die Stadt, in der auch die anderen Bandmitgleider ansässig waren und lebte zu Anfang in einem Wohnmobil, das ich aber nach zwei Monaten wieder verlor, da ich es nicht mehr bezahlen konnte. Kurzfristig war ich also obdachlos. Aber das war mir total egal, denn die Band gab mir ein vollkommen neues Outlet für meine musikalische Tätigkeit. Plötzlich drehte sich nicht mehr alles nur um Hochgeschwindigkeitsspiel und musikalische Masturbation, wie in meiner vorherigen Band. Die Musik von Mudvayne ging viel tiefgründiger zur Sache. Auf dem Album und auf der Bühne fährt Ryan einen sehr speziellen, durchdringenden Sound, der klingt wie kaum ein anderer und sich mühelos gegen alle Bassdrumattacken und verzerrten Gitarrensounds durchsetzen kann. !RM: Als ich begann, Metal-Music zu hören, wollte ich einen Sound haben, der das Klicken einer Bassdrum reproduziert, eine Art Attack im Sound. Also habe ich meine rechten Hand Technik so lange verändert, bis ich mich mehr und mehr dem gewünschten Sound annäherte. Wenn ich jetzt Grooves parallel zur Double-Bassdrum spiele, brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen, dass meine Lines im Tiefbassgetöse untergehen könnten. Der sehr klare, krispe Sound, setzt sich optimal durch und ist in Metal-Music eher selten zu hören. Ryan spielt mit seiner rechten Hand am Griffbrettende und die Fingerkuppen hämmern von oben auf die Saiten, so dass eine Mischung aus Slap- und Fingersound entsteht. Diese Technik ist entfernt vergleichbar mit der Spielweise, die John Entwhistle von The Who zeitweise verwendet. Aber auch die Wahl des Equipments hat einen maßgeblichen Anteil an Ryan´s Sound. !RM: Ich liebe meine Warwick Thumb Bässe. Sie sind einfach großartig und vom ersten Moment an war ich von ihnen begeistert. Mit meinem Sound habe ich lange herumexperimentiert und mit meiner Pedanterie trieb ich im Studio so ziemlich alle in den Wahnsinn. Drei volle Tage brauchte ich, bis der Sound endlich so war, wie ich ihn mir vorstellte. Wir haben tonnenweise Equipment ausprobiert. Zuletzt verwendeten wir die folgende Kombination : Ampeg SVT II Pro mit Pro 8 x 10 Cabinet. Im Gegensatz zur Classic 8 x 10 kommen bei der Pro 8 x 10 andere Speaker + Hörner zum Einsatz. Auch die Kammer-Aufteilung ist anders konzipiert, so dass die Box wesentlich mehr Druck produzieren kann. Weiterhin verwendete ich einen SWR 900 in Verbindung mit einer 2 x 10 plus Horn Box einer ganz neuen Firma namens Euphonic Audio, die von einem Atomphysiker entwickelt wurde. Die Boxen wurden allesamt mit Mikrophonen abgenommen. Um überharte Pegelausschläge zu besänftigen verwendete ich zusätzlich einen DBX 160A Kompressor. Den letzten Schliff bekam der Sound dann durch Andy Wallace, der für den Final-Mix zuständig war. Er ist einer der angesagtesten Tontechniker der Welt und hat von Sepultura bis zu den Backstreet Boys, alles gemischt. Andy hat meinen Sound durch den Einsatz von EQ und Kompression teilweise noch einmal so drastisch verändert, dass ich anfangs ziemlich schockiert war. Bevor er den Sound in die Mangel nahm, hatte er wesentlich More Bottom und Punch. Im Nachhinein bin ich aber sehr froh darüber, das Andy das Ganze eher globaler sah, denn er hat den Sound so aufbereitet, dass er optimal zu den restlichen Instrumente passt. Und das ist schließlich das wichtigste. Mittlerweile liebe ich den Sound. Ich kann nur jeden ermutigen zu experimentieren. Das Instrument Bass hat so viele Möglichkeiten.... Auf dem Produzentenstuhl nahm mit Garth Richardson einer der namhaftesten Produzenten des Rock-Genres platz, eine Tatsache, die eine junge Band im Studio sicher unter einen hohen Erwartungsdruck setzen kann. Nicht so Mudvayne. !RM: Nun, er hat uns sehr viel abverlangt, wir ihm aber auch. In Sachen Anspruch haben wir uns nie etwas geschenkt und im übrigen brauchten wir uns sowie keine Sorgen darüber zu machen, im Studio irgendetwas nicht auf die Reihe zu kriegen. Schließlich hatten wir uns sehr intensiv auf die Sessions vorbereitet. Manche Sequenzen waren so kompliziert, dass wir sie schriftlich ausarbeiten mussten. Unser Drummer beschäftigt sich privat mit Mathematik, eine Tatsache die sich auch in seinen intensiv verschachtelten Beats wiederspiegelt. Um sie im Studio hundertprozentig rüberbringen zu können musste er sehr viel üben. Manche Sequenzen waren so vertrakt, dass sie uns zu Beginn recht merkwürdig erschienen. Dann kehrten sie im Song wieder und plötzlich ergaben sie einen Sinn. Neben komplexen Strukturen haben wir aber auch einige Songs bewusst einfach gehalten. Es ist eben auch viel Schönheit in der Einfachheit! Trotz der Perfektion der Darbietung wirkt die Musik auf dem Album sehr rauh und lebendig, eine Tatsache, die in einer Rock-Produktion oft ziemlich schwierig zu realisieren ist. !RM: Wir haben sehr viel Arbeit in die Songs gesteckt, in die Texte, in das Konzept und die Richtung, in die alles gehen sollte. Im Studio haben wir uns alle sehr stark darauf konzentriert, die Songs so rüberzubringen, wie wir das im Vorfeld geplant hatten. Schließlich wollten wir ja ein gutes Produkt an den Start bringen. Garth Richardson hat uns dabei sehr stark unterstützt. Da 90% der Songs bereits komplett fertig waren, bevor wir ins Studio gingen, haben wir uns während der Aufnahme-Sessions hauptsächlich darauf verlegt, coole Sounds zu erarbeiten, die die Wirkung der einzelnen Nummern noch unterstützen sollten. Und ich denke, das ist uns auch sehr gut gelungen. Besonders die Mischung aus Rauheit und Transparenz gefällt uns allen sehr gut. Bei der Kompliziertheit der Time-Struktur mancher Songs stellt sich unmittelbar die Frage, auf welche Weise die Band das Material im Studio eingespielt hat. !RM: Alle Tracks wurden zunächst live eingespielt, wobei Greg (Gitarrist) und ich nur Dummy-Tracks aufnahmen, bis der jeweils geeignete Drumtake im Kasten war. Danach wurden alle Drum-Spuren in Pro-Tools gesäubert. Erst dann haben wir den Rest komplett neu, im Overdub-Verfahren aufgenommen. Heutzutage realisieren die Leute da draussen kaum, welchen enorm wichtigen Bestandteil digitale Bearbeitung in der Musikproduktion hat. Man kann der beschissenste Sänger der Welt sein und nach der Bearbeitung unter Umständen doch noch großartig klingen. Ob ihrer musikalischen Qualitäten, mussten Mudvayne definitiv nicht allzu tief in die Trickkiste greifen, denn sie müssen das Zeug ja auch Live On Stage spielen. Und das machen sie ganz hervorragend, obwohl Ryan live schon mal von Equipmentproblemen geplagt wird. !RM: Ich musste auf der Europatour bisher auf fremdem Equipment spielen. Leider hält nichts den Belastungen stand, die ich meinem Kram abverlange, eine Tatsache die mir ständig grosse Probleme bereitet. Ich habe bisher wirklich alles durchgeblasen, was man mir hingestellt hat, obwohl es eigentlich auf der Bühne nicht so laut zur Sache geht, wie man sich das gemeinhin vorstellen könnte. Ich trage während der Show zum Beispiel auch keinen Gehörschutz. Ryan arbeitet sehr häufig mit interessanten Tuning-Varianten. Seine 5-Saiter sind folgendermassen gestimmt: C-G-c-g-f Dieses Tuning liefert ihm zwei Oktavstimmungen plus eine auf f getunte g-Saite, so dass er einen interessanten Effekt erzielt, wenn er auf den hohen Saiten eine Quinte greift. So gespielt erklingt durch die spezielle Stimmung zweimal der gleiche Ton. Dabei verwendet er einen Standard Saitensatz in der Stärke 130 auf 45, von der Marke DR (taperwound). Da er sehr hart spielt, bevorzugt er eine höherer Saitenlage als normal. Mit seinen Experimenenten rund um Technik, Sound und Tuning begann er mit Eintritt in die Band Mudvayne. !RM: Ich möchte Musik neu gestalten, neue Wege gehen, so dass Leute Dinge hören, von denen sie sagen So etwas habe ich ja noch nie gehört... Du musst neu lernen, neu denken, das ist meine Herausforderung. Deshalb liebe ich die Arbeit mit verschiedenen Tunings. Dabei beschränke ich mich nicht nur auf tiefere Varianten, denn gerade das Höherstimmen verleiht dem Instrument einen vollkommen neuen Klang. Mudvaynes Live-Show wird unterstützt von der optischen Erscheinung der Musiker, die sich mit Schminke maskieren. Hierbei besteht die Band darauf, nicht die Nachfolge von Kiss antreten zu wollen. Auch zu einer Mystifizierung der einzelnen Musiker, wie es in der Hoch-Zeit von Kiss ja der Fall war, soll die maskierte Performance nicht beitragen. Im Gegensatz zu Paul Stanley und Konsorten lassen sich die Jungs privat auch unbemalt fotografieren. Die Schminke ist lediglich ein theatralisches Element der Show. !RM: Ich will von der Industrie nicht in irgendein Schema gepresst werden. Die Optik soll also nicht irgendein dauerhaftes Image widerspiegeln, sondern ist eher eine momentane Form des Ausdrucks, ohne besondere Regeln. Wir lieben Filme, Theater, Show. Wenn wir morgen Lust hätten, auf die Bühne zu pissen, dann würden wir es tun - nicht dass wir es zur Zeit wollen - aber wenn wir wollten, dann würden wir es auch machen. Ich liebe das, was ich tue, und wenn man liebt, was man tut, dann arbeitet man auch hart dafür. Nach oben - zur Auswahl - zur Homepage
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